Mit der Unterzeichnung des Vertrags über die Intermediate Range Nuclear Forces (Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme) beschlossen die USA und die Sowjetunion (UdSSR) 1987 die Demontage ihrer landgestützten atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen und läuteten damit erstmals eine Phase der nuklearen Abrüstung ein. Seit 2014 werfen sich die USA und Russland zunehmend Vertragsverstöße vor. Im Februar 2019 kündigte US-Präsident Donald Trump schließlich den Vertrag, woraufhin ihn der russische Präsident Wladimir Putin ebenfalls aussetzte. Da der INF-Vertrag eine sechsmonatige Kündigungsfrist vorsieht, kann das Abkommen noch gerettet werden – oder durch einen neuen (umfassenderen) Vertrag ersetzt werden!
Die Geschichte
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion immer weiter zu. Dies zeigte sich zum Beispiel an der Entwicklung immer neuer, zerstörerischer und reichweitenstarker Atomwaffen. Ende der 1970er-Jahre stationierte die Sowjetunion neue SS-20 Mittelstreckenraketen, die mit ihrer Reichweite vor allem Westeuropa treffen sollten. Und 1979 beschloss die NATO neue, landgestützte Atomwaffen in Europa – auch in Deutschland – zu stationieren, um damit die Sowjetunion zu bedrohen. Die Gefahr einer atomaren Konfrontation im Kalten Krieg wuchs, Friedensproteste gegen die nukleare Aufrüstung aber ebenfalls. Schließlich trafen sich beide Seiten zu Gesprächen. Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow nach langen Verhandlungen den INF-Vertrag, der nach einem weiteren Treffen am 1. Juni 1988 in Kraft trat.
Er regelt das Verbot von landgestützten Atomwaffen mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern und senkt damit die Gefahr eines Atomkrieges in Europa und Russland seit über 30 Jahren auf ein Minimum. Sowohl Produktion als auch Lagerung und Tests der landgestützten Waffen wurden verboten. Die USA zerstörten vertragsgemäß 846 Raketen, die Sowjetunion insgesamt 1.846 Raketen (siehe Tabelle | Quelle: Haradan JP: On-site inspections under the INF-Treaty, Washington DC 1993). Die letzten unter den INF-Vertrag fallenden Atomwaffen wurden im Mai 1991 demontiert. Bei der letzten Überprüfung im Mai 2001 galt der Vertrag als vollständig umgesetzt.
Der Vertrag
Der vollständige „Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite“ (INF-Vertrag) ist auf Deutsch hier abrufbar. Im wichtigen Artikel 5 heißt es konkret:
„Jede Vertragspartei beseitigt alle ihre Flugkörper mittlerer Reichweite und alle ihre Abschussvorrichtungen für solche Flugkörper sowie alle mit solchen Flugkörpern und Abschussvorrichtungen zusammenhängenden Unterstützungsbauwerke und Unterstützungsausrüstungen der in dem ‚Memorandum of Understanding‘ aufgeführten Kategorien, so dass spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Vertrages und danach keine der beiden Vertragsparteien solche Flugkörper, Abschussvorrichtungen, Unterstützungsbauwerke oder Unterstützungsausrüstungen besitzt.“
Der Streit
Seit 2014 werfen die USA Russland vor, mit dem Waffensystem „Iskander“ (genauer der „Iskander K“ die den NATO-Codename „SS-C-8 Screwdriver“ trägt) gegen den Vertrag zu verstoßen. Die ersten Tests mit dem System sollen bereits 2007 stattgefunden haben. Mittlerweile soll es sogar Weiterentwicklungen geben. Russland wiederum wirft den USA vor, mit dem in Rumänien und demnächst auch in Polen aufgestellten „Aegis“-Raketenabwehrsystem gegen den Vertrag zu verstoßen, da die Abschussvorrichtungen auch zum Start von Mittelstrecken-Marschflugkörpern des Typs „Tomahawk“ nutzbar seien. Zudem würden neu entwickelte Kampfdrohnen der USA gegen den Vertrag verstoßen.
Ob und wie die USA und Russland gegen den Vertrag verstoßen, lässt sich nicht sagen, da dafür (unabhängige) Kontrollen auf beiden Seiten erforderlich wären. Weder Donald Trump noch Wladimir Putin sehen dafür zurzeit aber einen Anlass.
Hinter der Vertragskündigung und den gegenseitigen Vorwürfen steckt aber wohl mehr: Schon 2007 beklagte sich der russische Präsident Putin bei der Münchener Sicherheitskonferenz, dass sein Land an den INF-Vertrag gebunden sei, Staaten in der Nähe (wie Israel, Iran, Indien, Pakistan, Süd- und Nordkorea sowie China) aber nicht. Die USA sahen das damals ähnlich und richteten im Oktober 2007 mit Russland zusammen ein entsprechendes Statement an die UN-Generalversammlung, in dem sie die Einbeziehung z.B. Chinas in den Vertrag forderten.
Mit der Einigkeit ist es inzwischen allerdings vorbei. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise 2014 und dem Anlanden russischer Soldaten auf der Krim hat sich die Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland wieder verschärft. Die Aufrüstung ist von beiden Seiten politisch gewollt, denn sowohl die USA als auch Russland modernisieren ihre Atomwaffenarsenale aktuell. Der INF-Vertrag ist dabei für beide Staaten ein Hindernis.
Die Lösung
Ohne den INF-Vertrag droht ein atomares Wettrüsten. Die betreffenden Raketen lassen sich ohne Vorwarnzeit abfeuern und treffen binnen Minuten ihr Ziel – eine politische Reaktion ist kaum mehr möglich. Das gilt auch für nicht-atomare Raketen, weshalb auch diese problematisch sind. Es bedarf daher der Gespräche zwischen den USA und Russland, um den INF-Vertrag zu erhalten. Gegenseitige Kontrollen sind notwendig, um die Einhaltung des Vertrags sicherzustellen. Der Verzicht auf atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen sollte jedoch nicht alles sein: Am sichersten für alle Menschen ist eine Welt ohne Atomwaffen. 2017 haben 122 Staaten bei den Vereinten Nationen in New York den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen, der auch die im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten US-Atomwaffen verbieten würde. Bisher weigern sich die Atommächte (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea) und Teilhabestaaten von Atomwaffen wie Deutschland, den Vertrag zu unterschreiben. Dies muss sich für eine atomwaffenfreie Welt, in der alle Menschen in Sicherheit leben können, ändern!